In meinen ersten Schuljahren Mitte der 70er Jahre lernten wir den Kreislauf des Wassers kennen. Etwas später dann auch den Weg des Abwassers in Bäche und Flüsse, die dann ins Meer mit seinem unvorstellbar großen Volumen mündeten. Und genauso wie die Färbung des Baches, in den die Textilfabrik ihr Abwasser einleitete, mit zunehmender Entfernung von der Textilfabrik abnahm, genauso würden die Weltmeere die unerwünschten und verschmutzten Stoffe schlucken. Wie erstaunt waren wir, als wir beim Versuch, die Größe der Avogadro-Konstanten (6,02204 x 10 23) zu erfassen, feststellten, dass zehn Liter Wasser, an einem ziemlich beliebigen Ort aus den Weltmeeren entnommen, ausreichen, um ein Molekül aus einem Fingerhut voll Farbe wiederzufinden. Um eine Beziehung zwischen beiden herstellen zu können, fehlte es unter anderem an öffentlichen Diskussionen und Datenmaterial, vor allem aber an der Fähigkeit, in globalen Zusammenhängen zu denken. Die Industrienebel der Stadt Leipzig, die ich während meines Studiums kennenlernte, konnten ebenso wie das gelbe Grün der Bäumen von niemandem übersehen werden. Der Zusammenhang mit den weitläufigen Braunkohlelandschaften vor den Toren der Stadt ließ sich noch herstellen, doch den Nebel als Indiz der wirtschaftlichen und ökonomischen Lage der damaligen DDR zu erkennen, gelang nur wenigen. »Erst das Zusammenfügen von ökologischen Sachverhalten und Wissensbeständen schafft Entstehungsbedingungen des Umweltbewusstseins«, begründet HATLAPA (HATLAPA,1991, 71) unsere damalige Kurzsichtigkeit. In der heutigen bundesdeutschen Gesellschaft gelingt es zwar, Aufmerksamkeit für ökologische Fragen zu wecken. Doch Einsicht in die Notwendigkeit umweltgerechten Handelns bedingt noch lange keine entsprechenden persönlichen Konsequenzen (vgl. u.a. FIETKAU,1948; KESSEL/TISCHLER, 1984; LANGHEINE/LEHMANN, 1986 DIERKES/FIETKAU, 1988; RUCKELSHAUS, 1989; SPADA, 1990, 625-627; MICHELSEN, 1991; WALDMANN, 1992; KIEDMANN/PREISENDÖRFER, 1994, 22). Diese Differenz zwischen Einstellungen und Handeln ist zwischen den Bewohnern der alten und der neuen Bundesländer nur graduell unterschiedlich (vgl. IPOS, 1992; IPOS, 1993) wobei die Jüngeren (14–29 Jahre) unter den Beftagten eher zu persönlichen Einschränkungen bereit sind als Ältere (POPPENDIEKER, 1992, 273). Gegen den intellektuell möglichen Kausalschluss vom persönlichen Verhalten auf die Ausprägung ökologischer Parameter wirken Verdrängungsmechanismen und egoistische Gewinnmaximierungsstrategien (vgl. ERNST/SPADA, 1993), weil subjektive Freiheit und große Entscheidungsspielräume mit höherem Gewinn für den einzelnen verbunden sind, als Einschränkungen, deren Nutzen nur über Umwege und undeutlich wirksam wird und unabhängig vom geleisteten Beitrag allen zugute kommt. Insofern muss die Bereitschaft zu umweltgerechtem Handeln spätestens beim Verlust oder der Angst vor Verlust sozialer Standards sogar abnehmen. PLATT spricht deshalb von einer »sozialen Falle« („social Trapp« – PLATT, 1973). Sollen als Ausweg massive Verbote oder gar diktatorische Herrschaftsformen zum notwendigen ökologischen Handeln vermieden werden, bedarf es eines stetigen, wenn auch langsam wirkenden Einstellungswandels der Mehrheit, um ökologisch sinnvolle Maßnahmen demokratisch legitimieren und demokratisch tolerieren zu können. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Diktaturen oder selbstdefinierte Eliten, gleich welcher Colour, nie existentielle Probleme auf Dauer gelöst haben. Beständigen Ausweg bietet demnach nur der Weg des Einstellungs- und Handlungswandels. Pädagogik, Psychologie, Kommunikationstheorie und andere Humanwissenschaften stellen zu diesem Themenkomplex vielfältige Modelle und Mittel aus verschiedener Perspektive zur Verfügung. Diese gilt es aufzugreifen, anzuwenden und weiterzuentwickeln, um ökologisches Wissen in lokal und global sinnvolles ökologisches Handeln zu überführen.…
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