Im Zeitalter von Stahl, Beton und Glas ist mit wenigen Ausnahmen schon fast vergessen, dass die Grundlage früherer Urbanität in Gebäuden aus Mauerziegeln bestand. Dieses Baumaterial hat für uns Heutige wieder an Bedeutung gewonnen, wenn auch in abgewandelter Form und zumeist „nur“ als schmuckgebendes Klinkerelement neuer Bauten. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Eigenschaften des Ziegelrohstoffes „Ton“ bzw. „Lehm“ in verständlicher Form dem Leser nahe zu bringen und an die Geschichte der Ziegelherstellung anzuknüpfen. Dabei sollten die fast vergessenen Traditionen der für die Altvorderen bedeutsamen Ziegelproduktion im Brandenburgischen – und vor allem die Produktionsstätten in unserer Heimatstadt Frankfurt (Oder) – durch die Dokumentation früherer Tongruben und Baupläne näher beleuchtet werden. Aus wissenschaftlich-historischer Sicht eine lohnende Aufgabe, selbst wenn bereits eine kurze Zusammenfassung von Standorten, Gründungs- und Betriebszeiten sowie eine Liste von Eigentümern früherer Ziegeleien aus Frankfurt (Oder) durch Joachim SCHNEIDER (2004) vorliegt; auch wurde in der jüngeren Vergangenheit in einigen Pressemitteilungen über Ziegeleien und die Ziegelherstellung an der Oder berichtet...
Schon die alten Babylonier und die Ägypter haben aus dem Schlamm ihrer großen Flussablagerungen Ziegel geformt und sie nach intensiver Behandlung zur Errichtung von zum Teil sehr großen Bauten im alten Ägypten sowie im alten Mesopotamien genutzt. So steht in der Bibel im 11. Kapitel des Ersten Buchs Mose über den Turmbau von Babel: „Und sie sprachen untereinander: ,Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen!‘ Und nahmen Ziegel zu Stein, und Erdharz zu Kalk.“ In einer von LEPSIUS kopierten Szene aus einem Grab in Kurna aus der Zeit 2400 Jahre vor Christus ist die Herstellung von Ziegeln aus Nilschlamm in Holzformen und ihre Trocknung dargestellt. Auch die Vorläufer der Inkas in Südamerika haben aus luftgetrockneten Ziegeln Pyramiden gebaut, von denen allerdings nur noch imposante Reste erhalten geblieben sind. Im Altertum war das Brennen von keramischen Erzeugnissen bekannt, wie bei Grabungen gefundene Gefäße bzw. die von Archäologen geretteten glasierten Fliesen des Ischtartores von Babylon beweisen. Eine große Blütezeit erreichten die Ziegelherstellung und die aus ihnen kunstvoll errichteten Bauten im Römischen Kaiserreich. Überall in Süd- und Mitteleuropa sind davon noch Zeugnisse erhalten geblieben. Die Stadtmauer des Aurelian in Rom, die Kaiserthermen des Konstantinus in Trier, der mit Schmuckziegeln reich verzierte römische Stadtmauerturm in Köln und viele andere römische Bauwerke zeigen die Kunstfertigkeit der Maurer im Römischen Kaiserreich. Auch im Mittelalter waren in Gegenden, wo es keine Natursteinvorkommen zur Errichtung großer Bauten gab, Ziegel als Baustoff unentbehrlich...
Die Ziegelherstellung hat in der Zeit der industriellen Revolution einen rasanten Aufschwung genommen. Bei uns vor allem auch durch den märkischen Braunkohlenbergbau. In Frankfurt (Oder) war Braunkohle als ein preisgünstiger unmittelbar verfügbarer Brennstoff vorhanden, der die bis dahin verwendeten riesigen Holzmengen abgelöst hatte. Von zirka 110.000 Ziegeleien im Jahr 1886 – in Deutschland waren es in der Blütezeit 1912 sogar 190.000 Betriebe –, während des Ersten Weltkrieges nur noch 60.000. Bis zum Jahre 1937 nahm dann die Anzahl der Ziegeleien wieder bis auf fast 160.000 zu. Im gleichen Zeitraum verdoppelte sich die Leistung der einzelnen Ziegler von 56.000 auf 114.000 Stück pro Jahr. Die Gesamtproduktion aller deutschen Ziegeleien betrug 1886 etwa 5,45 und 1939 fast 11 Milliarden Stück (alle Angaben nach HIETZIG 1943). Interessant ist nach dem gleichen Autor auch der Anstieg des Mechanisierungsgrades in den Ziegeleien von 0,61 PS pro Arbeiter im Jahre 1895 auf 4,92 PS pro Arbeiter im Jahre 1933.
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