Der RÜCKSEITENTEXT: Dieses Buch stellt die erste umfassende Geschichte des legendären Fürsten JACZA (ca. 1125 / 30 – 1176) und der Anfänge von Burg, Herrschaft und Siedlung Köpenick bis in das 13. Jahrhundert dar. Die Erzählung beruht auf der Einbeziehung des gesamten überlieferten Materials in Form von Texten und Bildern, Münzen und archäologischen Fundstücken. Besonderes Augenmerk wird auf die exponierte Lage des Köpenicker Herrschaftsbereiches zwischen dem mittelalterlichen Heiligen Römischen Reich und dem polnischen Piastenreich gelegt. Zahlreiche Abbildungen, Karten und genealogische Tafeln illustrieren und erklären das vielfältige, ereignisreiche und spannende Geschehen an Dahme und Spree zwischen Elbe / Saale und Oder in einer Zeit, in der auch Berlin / Cölln und das Land Brandenburg in den märkischen Sand gesetzt wurden.
Aus dem PROLOG (Fragmente)
„Das alte Schloß Cöpenick stand schon da, als die Deutschen unter Albrecht dem Bären ins Land kamen. Jatzko oder Jasso, der letzte Wendenfürst, an dessen Bekehrung die schöne Schildhornsage anknüpft, residierte daselbst. Nach seiner Unterwerfung wurde seine Residenz, eine Wendenfeste, zur markgräflichen Burg, aber weder Bild noch Beschreibung sind auf uns gekommen, aus denen wir ersehen könnten wie Schloß Cöpenick zur Zeit der Askanier oder Bayern oder der ersten Hohenzollern war.“
Theodor FONTANE, Wanderungen 4 (1881): SPREELAND
Als Köpenick im Jahre 2009 seinen 800. Geburtstag feierte, war es zu früh und zu spät zugleich: zu früh, weil sich die urkundliche Ersterwähnung des Ortes erst am 10. Februar 2010 zum 800mal jährte – Köpenick im Jahr zuvor also nur 799 Jahre zählte, und zu spät, weil die Burg als Copnic bereits in den fünfziger und sechziger Jahren des 12. Jahrhunderts auf den Münzen des legendären Jacza genannt wird – Köpenick nach diesen Quellen also schon mehr als 850 Jahre alt ist. Beides sind wichtige Daten und doch keine unverrückbaren Fakten, denn tatsächlich reicht die Besiedlung des Platzes am Zusammenfluss von Spree und Dahme noch weiter zurück: mehr als 350 Jahre, ginge es nach den ältesten slawenzeitlichen Funden aus der Zeit um 850, oder fast 5000 Jahre hielten wir uns an die jungsteinzeitlichen Überlieferungen auf der Schlossinsel aus der Zeit zwischen 2821 und 2660 vor Christi Geburt. Welchen Namen diese frühen Ansiedlungen trugen, wissen wir allerdings nicht. Sicherheit gewinnen wir erst zu Jaczas Zeiten. Seit dem haftet an dem Hügel der Name Copnic-Köpenick.
Seit kurzem jedoch gibt es einen interessanten Hinweis auf die Zeit davor: Im kartografischen Werk des Klaudios Ptolemaios († um 170) aus der frühen römischen Kaiserzeit erscheint in der Germania Magna an der unteren Spree an einem Flussübergang ein Ort namens Susudata. Köpenick wird für seine Lokalisierung in Anspruch genommen. Die antiken Koordinaten sprechen jedoch eher für eine etwas östlich, Spree aufwärts gelegene Örtlichkeit an einer Furt, wie Fürstenwalde. Da Susudata (mittelniederdeutsch: sudde) mit Morast, Sumpf – was für Copnic noch angehen würde – aber auch mit Kotlache, Schmutz, Saustall, Saulache in Zusammenhang gebracht wird, wollen wir es lieber bei Fürstenwalde belassen und diese Bezeichnung nicht für Köpenick beanspruchen. Das wahre Alter Köpenicks und seine früheren Namen bleiben somit verborgen und dennoch brachte das vermeintlich runde Jubiläum neue Erkenntnisse zur Geschichte des Spree-Dahme-Raumes. Diesen Neuigkeiten und einigem anderen mehr werden Sie, lieber Leser, begegnen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Jahrzehnte um 1200, einer Zeit, in der Copnic seine besten Jahre hatte. Es sind vor allem zwei historische Persönlichkeiten, deren Handeln den Rahmen absteckt, in dem wir uns bewegen – der heute immer noch präsente Jacza von Köpenick und der fast völlig in Vergessenheit geratene Konrad von Landsberg.
Jacza ist ein Phänomen, das in der wissenschaftlichen Literatur oft behandelt wurde; in Deutschland zuletzt weniger, in Polen dafür umso mehr. Lange schon stehen sich bei unseren östlichen Nachbarn zwei Meinungen gegenüber – eine, die in der Tradition der alten Krakauer Schule des 19. Jahrhunderts nur einen Jacza kennt und heute die vorherrschende Ansicht darstellt, sowie eine zweite, die von zwei verschiedenen Jaczas ausgeht und vor allem in West- und Zentralpolen vertreten wurde und wird. Im Kapitel „Wer war Jacza?“ wird ausgiebig auf die Forschungen der führenden „Jaczologen“ eingegangen.
Jacza ist allseits bekannt nicht nur in Köpenick, aber Konrad von Landsberg? Die meisten werden fragen: Konrad von Wo? Wer ist das denn? Konrad von Landsberg, Markgraf des Ostens (marchio Orientalis), am besten mit Markgraf der Ostmark / Lausitz wiederzugeben, ist verantwortlich für das Jubiläum „800 Jahre Köpenick“. Er hat die Urkunde ausgestellt, auf der die Feierlichkeiten gründen. Konrad gehörte einer Familie an, die bis heute als Wettiner bezeichnet wird. Sein Großvater väterlicherseits war Konrad „der Große“, Markgraf von Meißen sowie der Ostmark / Lausitz und eine Ikone der sächsischen Landesgeschichte. Sein Vater Dedo, mit dem wenig schmeichelhaften Beinamen der Feiste oder der Fette, seit 1156 Graf von Groitzsch und Rochlitz und seit 1185 Markgraf der Ostmark / Lausitz, ist kaum auffällig geworden, außer durch die absurde Art seines Ablebens: Er ging jämmerlich zu Grunde, nachdem er sich wegen seiner übermäßigen Körperfülle Bauchfett hatte abschneiden lassen, um mit dem Kaiser nach Italien reiten zu können. Als er beerdigt wurde, war er immer noch so dick, dass sein bereits vorbereiteter Sarg noch einmal eilig erweitert werden musste.
Die Zeitgenossen kannten noch keine Wettiner. Dedo und seine Nachfahren, darunter Konrad von Landsberg, wurden als Dedoniden bezeichnet – als Verwandtengruppe, die in Dedo ihren Ausgangspunkt hatte, doch dazu später mehr. Im Gegensatz zu Jacza wurde über Konrad lange kaum etwas geschrieben: keine Monographie, kein Aufsatz, kein irgendwie selbständiger Text, der ihn in das Zentrum der Betrachtung gestellt hätte. Sie werden erfahren, was diesen Markgrafen aus seinem lausitzischen Fürstentum die Spree abwärts bis nach Copnic trieb, wie er zu seinen polnischen und sächsischen Nachbarn und Verwandten stand und wie er sich im Heiligen Römischen Reich so nützlich machte, vor allem in der Zeit des Thronstreites (1198 – 1208) zwischen den Königen Philipp von Schwaben und Otto, dem anglophilen Welfen.
Zurück nach Köpenick, das in Jacza eine herausragende aber auch geheimnisumwitterte Gestalt besitzt, die auf der Schlossinsel über eine Burg als Herrschaftsmittelpunkt seiner Besitzungen verfügte. Von Jaczas Existenz in Köpenick berichten uns seine bereits kurz erwähnten Münzen, sogenannte Brakteaten oder Hohlpfennige, die sehr dünn und nur einseitig geprägt waren. Auf fünf der acht existierenden Münztypen nennt er sich nach Köpenick, das dreimal in den Formen Copnic, und je einmal als Coptnik und Copninc erscheint. Vom Beginn der schriftlichen Köpenicker Geschichte bis in Fontanes Zeit wurde der Ort am Anfang mit C geschrieben. Im Berliner Münzkabinett auf der Museumsinsel und im Märkischen Museum kann der Interessierte diese Geldstücke sehen. Die Münzen sind von Jacza autorisierte, unmittelbar zeitgenössische Zeugnisse und haben deshalb für die Frage: woher er kam und, wie er von seiner Umwelt gesehen werden wollte, höchste Bedeutung. Dazu später mehr.
Jacza war der erste slawische Fürst, der in den 1150ern die neue, im ersten Drittel des 12. Jahrhunderts im ostsächsisch-thüringischen Raum aufgekommene Form der Pfennigmünze, eben der Brakteaten, übernommen hat. Pribislaw Heinrich, sein Verwandter in Brandenburg, ließ ein Jahrzehnt früher noch die herkömmlichen doppelseitig geprägten Denare verbreiten. Die böhmischen, polnischen und pommerschen Fürsten vollzogen die Wende zu den Brakteaten erst später. Die Nutzung dieser numismatischen Innovation durch Jacza für eine repräsentative Außenwirkung ist eines der wichtigsten fassbaren Phänomene des kulturellen Austauschs innerhalb der Kontakte und Auseinandersetzungen zwischen ostsächsischen und slawischen Fürsten um das Gebiet rechts der Elbe und links der Oder. Am Beispiel der Köpenicker Brakteaten ist beispielhaft zu erkennen, wie kreative Übernahme aus einer anderen Kultur unter Bewahrung der eigenen Identität aussehen kann . . .
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