Als romantisches Ritterschauspiel gehört „Das Käthchen von Heilbronn“ zum bekannten, viel inszenierten Kleist-Repertoire. Doch ist Heinrich von Kleists Käthchen tatsächlich nur die treue Seele, die bedingungslos ihrem Ritter folgt? Claudia Schernus entwickelt in ihrem Essay „Aus der Traum?“ eine neue, geradezu radikale Lesart des Stoffes. Sie dechiffriert das Drama als Allegorie auf die politischen Verhältnisse in Deutschland um 1805. Der vorliegende Band bietet mit dem Kleistschen Originaltext – illustriert von Matthias Steier – und Claudia Schernus’ überzeugender Analyse einen faszinierenden Blick auf Kleists Denken und Schaffen. Er tritt vor als politischer Dichter seiner Zeit.
:::________:::
„Erschienen sind an neuern literarischen Produkten: Käthchen von Heilbronn, Schauspiel von Hrn. von Kleist; unterhaltend für alle, die mit der Vernunft fertig geworden sind.“ Diese bissige Kritik des Rezensenten vom „Morgenblatt für gebildete Stände“ musste Kleist am 5. Dezember 1810 über sich ergehen lassen. Vielleicht hatte er damit gerechnet, dass sein Stück so aufgenommen wird.
:::________:::
AUS DEM ESSAY: Eine Vereinnahmung durch Frankreich fürchtete Kleist auch auf allen anderen Gebieten. Die „mosaische Arbeit“ Kunigunde verkörpert Frankreich im Verbund mit jenen Rheinbundstaaten, die sich freiwillig unterworfen hatten und erheblich von der Neuordnung durch Napoleon profitierten, indem ihnen zum Beispiel freie Reichsstädte und andere Ländereien zugeordnet wurden. Andererseits gab es aber auch kleinere Staaten, die keinen Vorteil davon hatten und nur unter Druck dem Bund beitraten. Kunigunde ist ein Konstrukt, das sich aus französischen Einflüssen und Fragmenten zusammensetzt. So in der Mode, einem nicht unwichtigen Teil der französischen Kultur, denn „ihre Haare sind aus Frankreich“. Dies zeigt sich aber auch im militärischem Zwang, wenn über sie gesagt wird: „den Wuchs, den Ihr an ihr bewundert, hat sie einem Hemde zu danken, das ihr der Schmidt, aus schwedischem Eisen, verfertigt hat“. Es gehört zu ihrem Habitus, sich mit Erzeugnissen aus eroberten Ländern zu schmücken, so mit Zinnober „aus den Bergwerken in Ungarn“. Auch Bayern, das schon 1805 ein Bündnis mit Frankreich geschlossen hatte, scheint Kleist zu diesen zu zählen, weshalb er hinzufügt: „Ihre Zähne gehören einem Mädchen aus München“. In der Münchner Porzellanmanufaktur „Nymphenbrunnen“ wurden damals die ersten Porzellanzähne hergestellt. Ebenso könnte es auch ein Hinweis auf die geographische Ausdehnung des französischen Reiches mit den besetzten Ländern in dieser Zeit sein. In manchen Szenen verkörpert Kunigunde den von Kleist gehassten Napoleon in Persona. . .
::: I N H A L T S V E R Z E I C H N I S :::
========================
Heinrich von Kleist
Das Käthchen von Heilbronn . . . . . . Seite . . 5–153
Claudia Schernus
Aus der Traum?. . . . . . . . . . . . . . . . Seite 155–181
|