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Edition 014 Geschichte
 
Peter Fritz Mengel
„Das Oderbruch“
  In zwei Bänden
  Mini-Titel erhältlich
 
 

Aus dem Vorwort:
Jedem, der deutsche Schulen besucht hat, ist es geläufig, daß Friedrich der Große das Oderbruch urbar machte und besiedelte, „im Frieden eine Provinz gewann, die ihn keinen Soldaten kostete“. Wer jedoch tiefer in die Einzelheiten dieser großen Kulturtat, ihre Vorgeschichte, Durchführung und Auswirkung eindringen will, muß mit Bedauern die überraschende Feststellung machen, daß eine der besten Leistungen preußischer Verwaltung, die Gewinnung von 70 000 Hektar fruchtbaren Neulandes im Herzen Brandenburgs, unweit der Hauptstadt, bisher noch keine umfassende Schilderung fand … Mit diesen Worten beginnt das Vorwort des einstigen Herausgebers Peter Fritz Mengel, und er setzt seine einleitenden Gedanken beendend fort: Keiner ist in einem Gebiete wie dem Oderbruche für sich allein imstande, dem Angriff des lauernden Stromes zu begegnen, niemandem nützt Ordnung in seinem Entwässerungsgraben, wenn der Nachbar versagt. Nur genossenschaftliches Denken und Handeln, freudiges Eintreten in Reih und Glied, Selbstlosigkeit und Opfermut kann in täglicher Arbeit und in Stunden der Gefahr helfen. – Wer nicht will deichen, muß weichen. Da ist es gut, die Erfahrungen der Altvorderen zu nutzen, von ihren Mißgriffen zu lernen, an ihrer Zähigkeit und ihrem Lebenswillen sich aufzurichten. Da ist es gut, sein Wissen zu bereichern, sein geistiges Rüstzeug zu verstärken.

„Wahre und wehre“ lautet der Sinnspruch unseres Wappens, welches das reiche Feld und den stets bereiten Feind, das Wasser, zeigt, getrennt durch einen Deich, den Gemeinsinn erhält. Die anvertraute Scholle in Kenntnis ihres Werkes den Nachkommen zu bewahren, in Not und Gefahr fest zusammenzustehen, um Feindestrutz zu wehren – das Kampfziel der Oderbrücher ist damit gesteckt. Ein Helfer in diesem Kampf sei ihnen dieses Buch.


Leseprobe Erster Band:

„Geschichte des Oderbruches“
aufgeschrieben von Dr. Gottfried Wentz
Staatsarchivrat am Preußischen Geheimen Staatsarchiv
in Berlin-Dahlem

Die Geschichte des Oderbruches ist die einer Landschaft, deren naturgegebene Form durch die Kunst der Menschenhand zu ihrer heutigen Gestalt umgebildet worden ist. Voreinst der Willkür des Wasserelementes völlig preisgegeben, hat der Mensch durch Genie und Tatkraft dem Oderstrom feste Bahnen zugewiesen und so dem damals fortwährenden Wechsel unterworfenen hydrographischen Bilde des Bruches ein im Großen und Ganzen bleibendes Gepräge aufgedrückt. Dadurch wurde als beabsichtigte Folge auch die Topographie der Landschaft verändert, indem sich auf neugewonnenem und gesichertem Grunde eine emsige Siedlungstätigkeit entfaltete. Die Darstellung folgt diesem Gedankengange. Nach einer kurzen Betrachtung des Oderbruches in alter Zeit wird in dem Kapitel über die Entwässerung des Oderbruches die Entstehung des hydrographischen Bildes, in dem Abschnitt über Kolonisation und Agrarwesen die Ausgestaltung der Topographie des Bruches behandelt. In der Meinung, daß alles historische Werden vorzüglich durch die handelnden Persönlichkeiten bestimmt wird, haben wir uns bemüht, dem Wirken jener Männer, deren Namen in der Geschichte des Bruches ein bleibendes Andenken verdienen, auf dem Hintergrunde der Begebenheiten das rechte Licht zu geben. Das Oderbruch in seiner heutigen Gestalt ist ein Werk der preußischen Staatsverwaltung. Die unmittelbaren Quellen zu seiner Geschichte mußten demnach die Registraturen der zuständigen Behörden sein. Sie befinden sich heute zum größten Teil im Preußischen Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem, aus dessen Beständen das Material zu unserer Abhandlung geschöpft ist. Die im Apparat angemerkten Signaturen beziehen sich somit überall da, wo nichts anderes vermerkt ist, auf Reposituren des genannten Archivs. Für das 16. und 17. Jahrhundert sind vorzüglich die einschlägigen Bestände desKurbrandenburgischen Geheimen Rates, für den im Rahmen unserer Darstellung wichtigsten Zeitraum des 18. Jahrhunderts die Akten der Bruchämter, der Kriegs- und Domänenkammern zu Berlin und Küstrin, der Johanniterordensregierung zu Sonnenburg und der zuständigen Departements des Generaldirektoriums, für das letztvergangene Säkulum endlich neben den Akten des königlichen Zivilkabinetts die der bei und nach der Steinschen Verwaltungsreform begründeten neuen Ministerien, soweit sie für unseren Stoff in Frage kommen, benutzt worden. Eine bedauerliche Lücke hat der durch das Bombardement der russischen Artillerie am 15. August 1758 hervorgerufene Brand Küstrins in die Überlieferung gerissen. Die Aktenbestände der neumärkischen Kammer sind damals bis auf wenige Reste in den Flammen aufgegangen.

Und weiter erfährt der Leser über »Das Oderbruch in alter Zeit«: In das helle Licht der Geschichte ist das Oderbruch erst verhältnismäßig spät eingetreten. Zwar schon im 10. Jahrhundert, zur Zeit des großen Kaisers Otto, der als Erbe der universalen karolingischen Tendenzen sich sein Ziel weit über die Oder hinaus nach Osten zu steckte, haben sich deutsche Waffen am Nordrande des Oderbruches gezeigt. Bischof Thietmar von Merseburg erzählt, daß sein eigener Vater, Siegfried, Graf von Walbeck, am Johannistage des Jahres 972 bei Zehden mit den Polen handgemein geworden sei. Wenige Jahre später jedoch hat der große Aufstand der Wenden im Jahre 983 die geringen Anfänge deutscher Kolonisations- und Christianisierungstätigkeit in den Gebieten jenseits der Elbe mit Feuer und Schwert ausgerottet und auf lange Zeit hinaus wieder die Elbe zur Grenze zwischen deutscher und slawischer Welt gemacht. Mehr denn hundert Jahre später erst sind abermals deutsche Waffen in der Nähe des Oderbruches erschienen. Diesmal war es der äußerste Süden des Bruches, der durch den Kampf zwischen Deutschen und Polen in Mitleidenschaft gezogen wurde. Das feste Schloß Lebus ist 1109 vom Erzbischof von Magdeburg im Auftrage des deutschen Königs Heinrich V. belagert und erobert worden. Jedoch ist dieser Erfolg nur vorübergehend gewesen. Die Sieger haben sich in der Folgezeit an den Ufern der Oder nicht behaupten können. Eine endgültige Festsetzung der Deutschen an der Bruchoder gelang erst Anfang des 13. Jahrhunderts. Um 1210 brachten die askanischen Marktgrafen von Brandenburg den nördlichen Teil des Barnim an sich und erreichten hier den Strom. 1214 gründete Albrecht II. zum Schutze seiner Erwerbungen die Feste Oderberg. Seinen Söhnen Johann und Otto ist es vergönnt gewesen, den roten Adler Askaniens über den Strom in die terra transoderana hinüberzutragen. Damit ist das Bruch in die Mark Brandenburg eingegliedert worden …


Leseprobe Zweiter Band:

„Das Oderbruch in vorgeschichtlicher Zeit“
Von Prof. Dr. Alfred Götze

Nur über ein Jahrtausend schaut das Auge der Geschichte im Oderland. Aus einem weiteren Jahrtausend kommen hin und wieder wie fernes Wetterleuchten in tiefer Nacht einzelne unsichere und unzusammenhängende Nachrichten. Was vor dem liegt, ist in vollkommenes Dunkel gehüllt – aber nur soweit es sich um schriftlich überlieferte Geschichte handelt. Hier tritt die Vorgeschichtswissenschaft auf den Plan und verfolgt menschliches Geschehen rückwärts bis in ferne Zeiträume, solange Menschen gelebt und Spuren ihres Daseins und ihrer Tätigkeit hinterlassen haben. Nicht auf Papier und Pergament hat Menschenhand damals aufgeschrieben, was gerade mitteilenswert erschien, wohl aber hat sie sonst fleißig geschafft und gewirkt, hat Werkzeuge, Geräte, Waffen, Schmuck hergestellt, Wohnungen für die Lebenden und Toten eingerichtet und für Nahrung gesorgt. Soweit die Erzeugnisse dieser Tätigkeit aus vergänglichen Stoffen bestanden, sind sie vermodert. Die widerstandsfähigen haben aber die Jahrtausende überstanden und liefern das Material zum Aufbau der Vorgeschichte – zunächst und hauptsächlich, der Art der Quellen entsprechend, einer Kulturgeschichte. Darüber hinaus lassen sich aus der Zusammenstellung von einzelnen Kulturformen zu Kulturkreisen Volkseinheiten erkennen, die wiederum, indem man ihre örtliche Verschiebung im Laufe der Zeit feststellt, Ausblicke auf völkergeschichtliche Vorgänge wie Wanderungen geben …


„Die Landwirtschaft des Oderbruches“
Von Diplomlandwirt H.H. Freudenberger, Berlin

Mit der Landwirtschaft des Oderbruches ist seit langer Zeit eine besondere Vorstellung verbunden. Nicht allein, weil dieses Gebiet der Mark Brandenburg als eines der fruchtbarsten des Deutschen Reiches gilt und in der Tat die Bewirtschaftung des Bodens hier einen besonders hohen Grad der Vervollkommnung erreicht hat, sondern weil Menschengeist und Menschenhand aus dem völlig unwirtlichen Gebiete der Oderniederung die Ertragsfähigkeit des Bodens in langem Ringen mit den Naturgewalten mühevoll erkämpft haben. Selten haben Landesmeliorationen und Agrartechnik einen so umwälzenden Einfluß auf den Ertragswert eines Gebietes ausgeübt, selten hat der Mensch so zäh und geschickt die Allgewalt der Natur zu meistern gewußt wie im Oderbruch. Hier liegen aber auch in unmittelbarer Nähe die Anfänge der Landwirtschaftswissenschaft: In Möglin wurde durch die erste Akademie des Landbaus in nächster Nähe des Bruches der Grundstein zu unseren heute in der ganzen Welt als vorbildlich anerkannten Landwirtschaftlichen Hochschulen und landwirtschaftlichen Universitätsinstituten gelegt. Namen wie Thaer, Koppe, Noeldechen, der Frau von Friedland, von Arnim oder Schmelzer lassen aufhorchen und zeigen, daß im Oderbruch ein großer Teil deutscher Landwirtschaftsgeschichte steckt. Denken wir schließlich daran, daß Friedrich der Große hier sein bedeutendes Meliorationswerk durchgeführt hat, jener unsterbliche Preußenkönig, der in der Landwirtschaft die Grundlage eines jeden Staates sah, so erkennen wir, daß die Geschichte der Landwirtschaft des Oderbruches nicht allein Interessengebiet des sachlichen Historikers sein kann. Das Oderbruch liefert in seinen Entwicklungsphasen vielmehr jedem, der sich mit Landwirtschaft zu beschäftigen hat, ein ungewöhnlich lebendiges Bild der agrarischen Gestaltung der Vergangenheit und Gegenwart. Die Kenntnis von der Entwicklung der Landwirtschaft des Oderbruches ist aber darüber hinaus Interessengebiet aller seiner Bewohner, denn sie ist der Wesenskern der Heimatgeschichte dieses Gebietes …


„Berühmte Namen aus dem Oderbruch“
Gesammelt von Rudolf Schmidt, Eberswalde

Das Oderbruch hat viele und stolze Überlieferungen in familiengeschichtlichem Sinne. Zu einer stattlichen Reihe verdichten sich diese berühmten Namen. Selbst eine nur kurze und gedrängte Aufzählung erhärtet dies. Daß Landwirte in ihrer Tätigkeit hier in erster Linie genannt werden, ist für das Oderbruch, insbesondere für unsere Aufgabe, selbstverständlich. Es ist viel zu wenig bekannt, daß die zur Kolonisationszeit mit den deutschen Fürsten ins Land gekommenen Angehörigen des ritterbürtigen Adels eine besondere Rolle in dieser Beziehung gespielt haben. Die Haushaltung dieser ursprünglichen Kriegsleute und späteren Bauern bewegte sich durchaus in bescheidenen Grenzen, wie man jetzt aus mancherlei Beispielen weiß. Ihre Rittersitze erhoben sich kaum über die Erbhöfe der umwohnenden Bauern, nur, daß ihnen die letzteren, kraft der Verleihung des seit der deutschen Frühzeit geltenden Lehnrechtes, zu gewissen Diensten und Abgaben verpflichtet waren. Viel ist diesen selbstbewußten Edelbauern zu verdanken, in der Kolonisation wie in der Bodenbewirtschaftung, nicht zuletzt im Oderbruch …
… Es dauerte viele Jahrzehnte, bis die Wunden dieses großen (Dreißigjährigen) Krieges geheilt waren, wobei der unermüdlichen Tätigkeit des Großen Kurfürsten beim Wiederaufbau nicht vergessen werden darf. Wir finden auch seinen großen Kriegshelden, den „Sieger von Fehrbellin“, Georg Freiherrn von Derfflinger (geb. 1606) im Oderbruch, wo er 1695 auf seinem Gute Gusow gestorben ist … Nachmals aber hat dann des großen Feldmarschalls Schwieger-Urenkel, der Staatsminister und Gesandte Otto Christoph Graf von Podewils (1719–1781), Garten und Park von Gusow geschaffen – und dessen Sohn, der Landrat des Lebuser Kreises, Friedrich Heinrich (geb. 1747), der gediegene und berufene Landwirt, gerade die Güter Gusow und Platkow zu anerkannten Musterstätten landwirtschaftlicher Betriebe ausgestaltet …

Im Jahre 1739 hatte der verdiente Staatsminister und Wirkl. Geheime Rat Samuel von Marschall (geb. 29. 8. 1683 gest. 11. 12. 1749) von der Familie von Bomsdorff das Rittergut Ranft erworben. Als er zehn Jahre später starb, waren die Ländereien dieses Randdorfes durch eine Eindeichung geschützt, die dem großen König bei seiner gleichen Arbeit für das Gesamtbruch als Vorbild und Muster diente. Friedrich der Große selbst hat dies anerkannt durch einen Erlaß an das Generaldirektorium am 15.12. 1749, „daß unter anderen vielen guten und ersprießlichen Diensten, welche der nunmehr verstorbene Staatsminister von Marschall Höchstderoselben und Dero Landen geleistet hat, Sie insbesondere die Anfertigung der Bewallung der Oder und des dabei angelegten Kanals vor einer der nützlichsten miterkannt haben“. Diesem wahrhaft großen Manne des Oderbruches, Preußen-Brandenburgs und Berlins hat der viademica.verlag berlin in Sonderheit die Broschur „Samuel von Marschall – Diener zweier Könige“ gewidmet – erschienen aus Anlass des 250. Todestages, dem man am 11. Dezember 1999 in der Kirche von Dahlwitz-Hoppegarten in würdiger Weise gedachte.

Unter der Vielzahl weiterer nachzulesender Namensgeschichten sei unserer Leseprobe eine letzte kleine Auswahl hinzugefügt:

Als Friedrich der Große im Jahre 1763 dem Helden von Cunersdorf, dem General Joachim Bernhard von Prittwitz (1726–1793) die Ämter Quilitz und Rosenthal »in Anlehnung der Uns von ihm geleisteten vieljährigen rühmlichen Kriegsdienste« schenkte, wird er nicht geahnt haben, welche ausgezeichnete Friedensarbeit dieser Mann später im Oderbruch noch leisten würde, was ja Theodor Fontane in seinen „Wanderungen“ eingehend dargestellt hat. Aber auch Prittwitz’ Nachfolger im Besitze seiner Oderbruchgüter, der preußische Staatskanzler, Karl August Fürst von Hardenberg (1750–1822), unter dem aus dem alten Quilitz das neu erstandene Schinkelsche Neuhardenberg wurde, gehört hierher. Des Fürsten Name ist ebenso eng mit unserer Oderbruchheimat verbunden, wie ein Ausspruch von ihm gerade jetzt wieder besondere Bedeutung gewonnen hat: „Jede Stelle im Staat ohne Ausnahme, sei nicht dieser oder jener Kaste, sondern dem Verdienste der Geschicklichkeit und Fähigkeit aus allen Ständen offen. Jeder sei der Gegenstand allgemeiner Amulation, und bei Keinem, er sei noch so klein, noch so gering, töte der Gedanke das Bestreben: Dahin kannst Du bei dem regsten Eifer, bei der größten Tätigkeit, Dich fähig zu machen, doch nie gelangen. Keine Kraft werde im Emporstreben zum Guten gehemmt.“

Und aus der Nähe klingt noch eines anderen Namen aus der Alten-Fritzen-Zeit an unser Ohr, die Gestalt des verdienten General Hans Siegismund von Leftwitz (1718–1788), der vier Belagerungen kommandierte, in zehn Schlachten mitfocht und insbesondere die Schlacht von Torgau zugunsten des Großen Friedrich entschied –, der dann im schönen Cunersdorf zur Ruhe einkehrte und auch hier auf dem stillen Friedhof die ewige Ruhe fand …


Erschienen: 2003. Seiten: 1008
ISBN: 3-932756-90-8
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